Input Forum 1 „Was tun?!“ Konferenz am 2.12.2023 in Frankfurt am Main
Redner: Harri Grünberg, „Was tun?!“ Berlin
In vielen Ländern Europas erleben wir Neuzusammensetzungsprozesse der linken Kräfte, so in Frankreich, Spanien und Großbritannien und nun auch in Deutschland. Diese Neuzusammensetzungen finden nicht auf der Grundlage einer sozialistischen Programmatik, sondern anhand von konkreten Forderungen, die aus der aktuellen Lage des Kampfes resultieren, die aber im Kern in ihrem Inhalt links sind und eine Brücke zu einer sozialistischen Perspektive schlagen, statt. In der Tendenz stoßen die konkreten Forderungen, wie sie das BSW oder Podemos in Spanien und la France Insoumisse in Frankreich gegen Krieg und sozialen Krieg stellen, mit den Interessen des Kapitalismus zusammen. Sie tragen dazu bei Massen zu mobilisieren und den Bruch mit der herrschenden Politik voranzutreiben. Es formiert sich eine neue Unabhängigkeit der Arbeiterbewegung. Die Kämpfe schaffen neue Möglichkeiten der Radikalisierung und damit auch Möglichkeiten, auf der Grundlage der gesammelten Erfahrungen, das Programm zu radikalisieren.
Man mag es bedauern, dass sich die Neuzusammensetzung einer linken Partei nicht über eine eindeutige sozialistische Programmatik vollziehen wird. Wenn Sozialistinnen und Sozialisten mehr als eine Propagandatruppe sein wollen und der Kernaufgabe linker Politik nachkommen wollen, die breiten Schichten der Arbeiterklasse und der populären Schichten zu erreichen, dann muss uns klar sein, welche die im Moment wesentlichen strategischen Aufgaben sind:
Die linken Kräfte müssen ein breites gesellschaftliches Bündnis schaffen, welches sich im Wesentlichen gegen das Monopolkapital wendet. Es ist ein Bündnis von Segmenten der Arbeiterklasse mit Teilen des Mittelstandes. Dabei dürfen aber die Interessen von Lohnabhängigen in den mittelständischen Betrieben nicht vergessen werden. Ebenso müssen Gewerkschaften und sozial progressive friedensorientierte Kräfte einbezogen werden.
Die strategische Aufgabe besteht darin rechts nicht die Arbeiterklasse und die populären Schichten einschließlich des Mittelstandes zu überlassen. Wir müssen die Opposition zu diesem abgewirtschafteten und von breiten Schichten mittlerweile abgelehnten politischen System sein. Der AFD Stimmen wegzunehmen ist die zentrale Aufgabe der künftigen Auseinandersetzungen.
Dies beginnt damit, dass eine linke „Volkspartei“ die Oppositionsfähigkeit und Oppositionsmächtigkeit gegenüber dem politischen System erlangt. Opposition gegen Krieg Sozialabbau und Demokratieabbau zu sein.
Die Partei Die Linke ist unfähig dazu, denn sie wird mittlerweile von den populären Schichten als Teil des ungeliebten Systems gesehen und sie selbst versteht sich als der linke Flügel eines globalen linksliberalen Lagers. Die Partei Die Linke hat mit dazu beigetagen, dass Begriffe wie links und sozialistisch als nichtssagend abgelehnt werden. Als links werden die Grünen, die SPD und Die Linke empfunden und kaum von den populären Schichten voneinander unterschieden. Die Linke in Europa, ob aus der Sozialdemokratie oder der kommunistischen Tradition herstammend, hat die Tuchfühlung zur Arbeiterklasse verloren und den Aufstieg der Rechten somit befördert. Auch in Deutschland.
Wir müssen heute an dem anknüpfen wo die Mehrzahl der Klasse steht. Sie möchte ein intaktes Sozialsystem, sie lehnt die linksliberale Bevormundung ab, sie empfindet das demokratische Spielräume eingeengt werden.
Die Linke hat auf ihrem Parteitag showmässig beschworen: sie sei eine sozialistische Partei. Mehrfach wurde sich auf die Arbeiterklasse bezogen. Aber in ihrem Wahlprogramm taucht kein einziges mal das Wort Sozialismus auf und die Stoßrichtung dieses Wahlprogrammes ist linksliberal. Es atmet nicht die Luft von Opposition. Es ist brav und biedert sich der EU an.
Entscheidend ist, dass sich das BSW auf der Linie des Bruches mit dem politischen System in Deutschland entwickelt. So eine Radikalität zum Ausdruck bringt und Antworten auf Deindustrialisierung, Krieg und sozialen Krieg gibt.
Als „Was tun?!“ brauchen wir eine langfristige Perspektive. „Was tun?!“ muss aufrechterhalten werden und gemeinsam und solidarisch mit jenen Genossinnen und Genossen diskutieren, die in der PdL verbleiben. Wir können eine Brückenfunktion spielen und gemeinsam können wir über sozialistische Perspektiven diskutieren.
All jene von uns, die in die neue Partei gehen, sollten dort solidarisch mit einer langfristigen Perspektive arbeiten. Die Partei erfolgreich mitaufbauen. Sie in den künftigen Wahlen unterstützen und zum Erfolg führen und sich in das künftige Programm und in Strategiedebatten einbringen. Wir treten langfristig dafür ein, dass die neue Partei einen Ort schafft wo über sozialistische und marxistische Politik diskutiert und der programmatische Bezug zur Tradition der sozialistischen und Arbeiterbewegung hergestellt wird.
Das erfordert viel Geduld. Dass die neue Partei kontrolliert wachsen will ist im Prinzip richtig obwohl viele von uns bereits schon jetzt an der Gestaltung teilnehmen möchten. Ich denke, dass hier das BSW klarer machen muss, wie unsere Unterstützung für die neue Partei im Aufbauprozess miteinbezogen wird. Das betrifft auch die Programmdebatte.